Liebe P., lieber D.,
da ist er also. Der Tag, an dem sich unser gemeinsames Leben verändert. Ein bisschen nur? Oder ganz massiv?
Neige ich etwa zur Übertreibung? Seit D.’s Geburt habe ich vier Jahre lang jeden Auftrag angenommen, der mir interessant vorkam oder von dem ich mir versprochen habe, viel zu lernen, viel zu schreiben, viel davon in die nächste Geschichte mitzunehmen. Jetzt bin ich auch (endlich) wieder Teil eines festen Teams. Fahre jeden Tag an den selben Ort. Sehe Euch beide nicht mehr so oft wie sonst. Und habe Angst in alle Richtungen.
Angst vor dem Scheitern. Angst vor meinem eigenen Ehrgeiz. Angst davor, dass die Arbeit wichtiger wird als „das Private“. Angst vor… Ach, die Liste könnte lang werden. Dabei sagt mir dieses grüngelbe Vernunftsmännchen mit den lila Haaren (auf meiner linken Schulter), ich soll mal klar kommen und mir einen Tee machen oder besser machen lassen und dann soll ich tief ein- und mit einem herzhaften „Ommmm“ wieder ausatmen und Schluss machen mit dieser Pseudo-Panik, die mir sowieso kein Mensch abnimmt. Kann ja sein. Und kann ja auch sein, dass das nichts bringt. Aber trotz aller Erfahrungen ist das Kind in mir nicht stummzukriegen, das, von Ehrgeiz zerfressen, an die Tafel gerufen wird und unter lauter von vermeintlicher Missgunst erfüllten Augen keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Dieses Kind, das alles immer am besten machen will, das allen gefallen, von allen geliebt werden will und das daher bei sich selbst ein Fehlschlagen keinesfalls akzeptiert.
Während meines experimentellen Halbmarathontrainings gestern Vormittag klingelte plötzlich das Telefon. Du, D., hattest Dir beim Sturz von der Hochebene beinahe einen Zahn ausgeschlagen und ich solle doch bitte schnell zurückrennen, um gemeinsam mit Dir dem Kinderzahnarzt einen Besuch abzustatten. Dabei bewegte ich mich vor lauter Beschleunigung irgendwie falsch und glaubte schließlich, etwas in der Wade reißen zu hören. Danach wollte das Bein erst mal nicht weiter. „Ommmm“, ganz ruhig, „ommmm“, manche Dinge erledigen sich von selbst, wenn man sich nur zurücklehnt und sie auf sich zukommen lässt.
Manchmal stehst Du, D., vor uns und grübelst über eine sich soeben eingestellte Schwierigkeit nach. Dann schießt irgendwann Dein Zeigefinger in die Luft und Du rufst aufgeregt: „Ich weiß, wir machen es so!“ Wäre Dir mein Problem gerade klar, dann würde es vermutlich so weitergehen: „Du spielst heute einfach noch zwei Stunden mit mir Ritterburg, dann machst Du Maultaschen, dann lesen wir noch ein Buch und dann sieht die Welt schon ganz anders aus!“ Und Du, P., würdest irgendwann beim Ins-Bett-Bringen sagen: „Mama, mir ist da noch was eingefallen: Ich glaube, du kannst das!“
Stand auf meinem Glückskekszettel: „Du kannst es.“ Klingt schön. Klingt beruhigend. Klingt nach „ommmm“. Und so humpele ich (nicht mehr ganz so bemitleidenswert) allem Neuen entgegen oder halte besser an und lass es kommen. Aber sollte ich – nur das vorab – nicht ansprechbar sein, wenn Ihr mich braucht in der nächsten Zeit, dann dürft Ihr mich gerne mit den Walnüssen aus D.´s Katapult beschießen.
Küsschen.
Eure A.