Liebe P.,
heute haben wir alle zusammen gefeiert, den Geburtstag deiner Oma. Luftballons haben wir steigen lassen bis unter die Decke des über drei Meter hohen Raums in einer dieser klassischen Altbauwohnungen in West-Berlin. Während der Vorbereitungen warst du ganz still. Lagst da auf dem grauen Sofa und hast uns mit deinen weisen Augen angesehen; bist, wenn mich nicht alles täuscht, den bunten Ballons in ihrem Aufsteigen gefolgt, bis sie da oben von einer Betonschicht aufgehalten wurden.
Wenig später war die Hälfte der Ballons auf die Hälfte der Höhe herabgesunken. Die Ballons hatten wohl hier und da Löcher, winzig kleine, aber nicht klein genug als dass sie nicht kontinuierlich Luft entlassen hätten. Unser Geschenk senkte sich langsam herab, was aber irgendwie passte. Der bunte Raum aus Luftballons veränderte sich in jeder Sekunde. Nichts blieb gleich. Alles blieb in Bewegung.
Ich sage ständig, dass ich das Tanzen vermisse. Das nicht endende Tänzeln zwischen den Menschen, das Nichtfestlegen, das Nichtanlegen, das Umhermäandern von Laternenmast zu Laternenmast, das Gehen auf Zehenspitzen, das konsequente Ignorieren des Konkreten; so eben, wie ich vorher gelebt habe.
Ich sage oft, dass ich diese Leichtigkeit vermisse, dieses Nichtsernstnehmenmüssen, dieses Witzemachen zwischen A und B, diese Sucht nach Sympathie von allen Seiten, solange ich auch gleich wieder gehen kann.
Ich sage gerade immer wieder, dass ich genau das alles vermisse. Dass ich wieder tanzen will durch die Straßen der Stadt, die ich am besten kenne von allen Städten, in denen ich bislang in diesem Land und in anderen Ländern gelebt habe.
Aber weißt du, P.? Eigentlich tanze ich immer noch. Ich tanze mit dir in der Trage, nahezu 24 Stunden am Tag. Wir durchlaufen gemeinsam den Kiez. Wir grüßen den Späti und winken dem Makali und wünschen dem Kaffeeröster einen guten Feierabend. Wir umarmen die Nachbarin. Wir essen Wassermelone. Wir kennen jeden Stein bei unserem letzten Erschöpfungsgang um den Block. Und ja, eigentlich tanzen wir…
…zwischen den bunten Ballons, die in unterschiedlichen Höhen in unserer Nähe hängen, leichter als Luft!
Ein ganz schöner Tag, heute.
Deine A.